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Massaker von Ascq: Verfahren eingestellt

Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Celle vom 27.03.2018


Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat das Ermittlungsverfahren gegen einen 95-jährigen deut­schen Staatsangehörigen aus Nordstemmen (Landkreis Hildesheim) wegen des Verdachts der Bei­hilfe zum Mord eingestellt.

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, als Angehöriger der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ in der Nacht vom 01.04.1944 zum 02.04.1944 in Ascq (Nordfrankreich) die willkürliche Tötung von 86 Zivilpersonen als Racheakt für einen vorangegangenen Sprengstoffanschlag auf einen Trans­portzug unterstützt zu haben.

Niemand darf wegen derselben Tat zweimal bestraft werden. Dieser verfassungsrechtlich veran­kerte Grundsatz gilt nach dem Durchführungsübereinkommen zum Schengener Abkommen auch dann, wenn ein Beschuldigter in Frankreich verurteilt worden ist und dieses Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates, also dem französischen Recht nicht mehr vollstreckt werden kann.

Der Beschuldigte ist am 06.08.1949 wegen seiner Beteiligung am Massaker von Ascq vom Militär­gericht Metz mit Sitz in Lille (Frankreich) in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden.

Das französische Justizministerium hat auf eine Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft Celle mit­geteilt, dass die durch das Mili­tärgericht ausgeurteilte Tat heute als Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerrechts zu bewerten sei, weil sie sich auf Taten beziehe, die unter dem Vorwand des Krieges begangen wurden, aber nicht durch kriegsrechtliche Bestimmungen oder Gebräuche legitimiert seien. Das französische Strafgesetzbuch sehe vor, dass eine Strafe wegen eines solchen Verbre­chens zwanzig Jahre nach Eintritt der Rechtskraft verjähre. Dies gelte auch für ein sogenanntes Abwesenheitsurteil.

Die französische Verurteilung könne somit nicht mehr vollstreckt werden. Daher stehe das rechts­kräftige französische Urteil einer Verfolgung des Beschuldigten in Deutschland auf Grund derselben Straftat entgegen. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden seien hieran gebunden, obwohl die Tat nach deutschen Strafrecht nicht verjährt wäre.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle teilt diese Einschätzung. Die Tat ist als Kriegsverbrechen und nicht als ein (in Frankreich nicht verjährtes) Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des französischen Strafgesetzbuches zu qualifizieren. Als solche werden insbesondere Völkermord, Deportation, Versklavung und andere unmenschliche Handlungen verstanden, die aus politischen, philosophischen, rassischen oder religiösen Gründen planvoll an einer Gruppe der Zivilbevölkerung begangen werden. Das Massaker von Ascq wurde hingegen durch Angehörige einer Division der Waffen-SS als spontaner Racheakt für einen kurz zuvor begangenen Sprengstoffanschlag auf den militärischen Eisenbahntransport gerade dieser Soldaten ausgeführt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat daher das Ermittlungsverfahren aufgrund eines Verfah­renshindernisses eingestellt.

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier

Generalstaatsanwaltschaft Celle
Pressesprecher
Schloßplatz 2
29221 Celle
Tel: 05141/206-722
Fax: 05141/206-540

www.generalstaatsanwaltschaft-celle.niedersachsen.de

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